Dez.
31
Weyerbusch

Das Resümee zum Raiffeisen-Jahr 2018 von Werner Böhnke

„Wege entstehen dadurch, dass man sie geht.“

Einhundert Jahre bevor wir im Juni 2012 die Deutsche Friedrich-Wilhelm-Raiffeisen-Gesellschaft gründeten, veröffentlichte der spanische Dichter Antonio Machado sein Werk Campos de Castilla, das diesen inspirierenden Vers über Wege enthält. Diese Zeile hätte genauso gut aus der Feder Friedrich Wilhelm Raiffeisens stammen können. Wobei der ihn wahrscheinlich noch sinnfällig und treffend ergänzt hätte: Wege entstehen dadurch, dass man sie gemeinsam geht. Friedrich Wilhelm Raiffeisen hat den Weg der Genossenschaften als einer der Ersten geebnet. Im Raiffeisen-Jahr 2018 haben wir ihn und seine Genossenschaftsidee gebührend gefeiert. Und dabei einen Vorsatz gefasst: Den eingeschlagenen Weg auch in Zukunft weiter zu gehen.

 

Mit dem erlebten Zuspruch und der ansteckenden Dynamik hatte wohl niemand gerechnet, als wir vor mehr als sechs Jahren die Deutsche Friedrich-Wilhelm-Raiffeisen-Gesellschaft auch mit Blick auf den 200. Geburtstag Raiffeisens gründeten. Und das in seinen verschiedenen Aktivitäten spannende, facettenreiche und beflügelnde Raiffeisen-Jahr 2018 hat unsere Erwartungen übertroffen. Das verbindende und gemeinschaftliche Engagement von Genossenschaften landauf, landab hat es so besonders gemacht und zugleich einmal nachdrücklich die Modernität der Idee Raiffeisens unterstrichen. Wir können voller Zuversicht sagen: So etwas gibt es in keiner anderen Organisationsform in Deutschland. Die vielen kleinen und großen Veranstaltungen, Aktionen und Begegnungen haben die beeindruckende Vielfalt der Genossenschaftswelt lebendig werden lassen. Das Raiffeisen-Jahr 2018 war ein Jahr vieler – und viele haben sich gemeinsam mit uns auf den Weg gemacht.


Einige Meilensteine werden besonders nachhaltig in Erinnerung bleiben. Der Festakt in Mainz, das wissenschaftliche Symposium auf Schloss Montabaur, der Jour Fixe mit Raiffeisen in Neuwied, der Jahresempfang deutscher Genossenschaften, die Bankwirtschaftlichen Tagungen und Raiffeisen-Tage in Berlin, parlamentarischer Abend und Tag der Deutschen Einheit in Mainz und die Abschlussveranstaltung in Wissen an der Sieg. Überall sind wir ins Gespräch gekommen. Wir sind einander begegnet und wir haben gemeinsam gefeiert: den Vordenker aus dem Westerwald, seine starke Idee und vor allem die vielen genossenschaftlichen Initiativen in diesem Land und auf der ganzen Welt.

 

Einer meiner persönlich beeindruckendsten Momente im Raiffeisen-Jahr 2018 war das Raiffeisen-Camp. Auf Einladung der Deutschen Friedrich-Wilhelm-Raiffeisen-Gesellschaft waren erstmals 85 junge Genossenschaftlerinnen und Genossenschaftler aus ganz Deutschland für ein Wochenende in Berlin zusammengekommen. Die jungen Menschen haben sich vernetzt und diskutierten mit Politikern, Gründern und Spitzenvertretern aus der Genossenschaftswelt über die Zukunft von Genossenschaften. Sie lernten unterschiedliche Aspekte der genossenschaftlichen Idee kennen und ließen sich auf besondere Art und Weise von der Kreativität, der Interpretation und der Vielfalt genossenschaftlicher Initiativen inspirieren. In dem einzigartigen Format des Raiffeisen-Camps konnte die Deutsche Friedrich-Wilhelm-Raiffeisen-Gesellschaft den jungen Genossenschaftlerinnen und Genossenschaftlern neue Perspektiven eröffnen und sie zu aktiven Botschaften genossenschaftlicher Werte und Überzeugungen machen. Die Genossenschaftswelt braucht diese jungen Köpfe für ihre erfolgreiche Weiterentwicklung; jeder Weg ist beschwerlicher, wenn er ohne junge Menschen gegangen wird. Genossenschaft findet überall dort statt, wo die Menschen – gerade auch junge Menschen – auf ihren Kern, ihre Einzigartigkeit und ihre Faszination hinweisen und mit überzeugender Kraft „das Besondere“ erlebbar machen.

 

Die Genossenschaften in Deutschland haben sich im Raiffeisen-Jahr 2018 vielfältig und phantasiereich engagiert und Mitglieder, Mitarbeiter, Kunden und die Öffentlichkeit für die Idee Raiffeisens begeistert. Unsere Wanderausstellung war an mehr als 60 Orten zu sehen, auf mehr als 1.000 Mitglieder- und Vertreterversammlungen wurden unsere Präsentationen gezeigt, über eine Viertelmillion Flyer sind im Umlauf und unsere lebensgroße Raiffeisen-Figur wurde bisher über 1.300 mal bestellt. Solche Zahlen freuen uns, weil sie zeigen, welch großes und anhaltendes Interesse an Raiffeisen und seiner Genossenschaftsidee und damit auch an einer selbstbestimmteren Gesellschaft besteht.

 

Die zahlreichen Veröffentlichungen und Aktionen komplementieren das Bild der heutigen Genossenschaftswelt in Deutschland. Im Raiffeisen-Jahr 2018 wurden sie zu einer Einheit und sorgten dafür, dass wir weit über die Genossenschaftswelt hinaus strahlten. Dazu gehören unsere Selfie-Aktion #ichbinraiffeisen, die Beiträge und Diskussionen auf unseren Social-Media-Plattformen und auf www.raiffeisen2018.de, die Bücher und Großflächenplakate, der Ideenwettbewerb für junge Leute, die Ausstellung auf der Festung Ehrenbreitstein in Koblenz, unser on- und offline Kampagnenmaterial, die Westerwälder Erklärung, die Gewinnspiele und Give-aways, die Zeitungsbeilagen und Sonderveröffentlichungen, die forsa-Meinungsumfrage, die Medienbeiträge mit einer Reichweite von über 60 Millionen mit Gratulationen zum Beispiel in der FAZ, der SZ, der WirtschaftsWoche, der Börsen-Zeitung, der Deutschen Welle, dem Handelsblatt, dem heute-journal, SAT.1, dem SWR, der Rhein-Zeitung, und dem AK-Kurier. Zu dieser unvollständigen Aufzählung kommen noch die vielen Veranstaltungen vor Ort in den Genossenschaften, zum Beispiel die Ausstellungen und Bürgerfeste, die Theaterstücke und Lesungen, die Gewinnspiele und Geburtstagspartys.   


Im Raiffeisen-Jahr 2018 ist auch etwas Neues auf dem Weg hinzugekommen: Wir haben das Wirtschaftsmagazin gemeinsam herausgegeben. Mit einer Auflage von 100.000 Stück pro Ausgabe verleiht es der Genossenschaftswelt eine kraftvolle publizistische Stimme über das gesamte Bundesgebiet hinweg. Dieser genossenschaftlichen Stimme bedarf es in unserer heutigen Welt mehr denn je und wir sind stolz, mit der gemeinsam für die Genossenschaftsidee begeistern und ihre Vielfalt, Kraft und Umsetzung präsentieren zu können. Gerade weil die Idee auf so unterschiedliche Art und Weise gelebt und weiterentwickelt wird – sei es in der kommunalen Daseinsvorsorge, dem digitalen Dienstleistungssektor oder der modernen Landwirtschaft –, ist der Bedarf an einem Medium, das diese Vielfalt erkennt, einordnet und erklärt, ungebrochen hoch. Wir sind auf Spurensuche gegangen: Wo begegnet uns Raiffeisen heute? Was hat er uns zu sagen? Welche Orientierung kann er jungen Menschen geben, die mit neuen Geschäftsmodellen und neuen Medien experimentieren? Die mit steigenden Mieten konfrontiert sind? Die konsumieren wollen, aber Wert auf nachhaltige Produkte legen? Die Betreuungsplätze für ihre Kinder und Pflege für ihre Eltern benötigen?

 

Die gemeinsam hat uns allen neue Zugänge zur Genossenschaftswelt eröffnet, deren Erfolge sichtbar gemacht und diese kohärent, pointiert und abwechslungsreich interpretiert und präsentiert. Sie hat uns vor Augen geführt: Die Genossenschaftswelt des 21. Jahrhunderts entwickelt sich in einer besonderen Umgebung. Jede Genossenschaft weltweit basiert auf derselben Grundlage, der starken Idee Raiffeisens. Auf der anderen Seite setzt jede Genossenschaft verschiedene Schwerpunkte und reagiert ganz individuell auf spezifische lokale, gesellschaftspolitische und ökonomische Anforderungen, aus denen sie Perspektiven und Chancen kreiert. Dadurch kann die Genossenschaftsidee wie keine andere Lebens- und Wirtschaftsform Gemeinschaften integrieren, unser politisches System stärken und direkte Teilhabe und Engagement garantieren. Das macht die Genossenschaftswelt so kraftvoll und widerstandsfähig, so attraktiv und anschlussfähig und vor allem so demokratisch und selbstbestimmt. Der Weg Raiffeisens steht jedem offen und im Raiffeisen-Jahr 2018 hat sich eines besonders deutlich gezeigt: Es lohnt sich, ihn zu gehen.


Auch der Autor und Moderator Manuel Andrack hat sich im Raiffeisen-Jahr 2018 auf den Weg und auf eine Entdeckungsreise zu Genossenschaften an mehr als 40 Orten in ganz Deutschland gemacht. Mit seinem multimedialen Tagebuch hat er über eine halbe Million Menschen erreicht und während seiner Reise über 10.000 Kilometer zurückgelegt.  Das Fotobuch zu seiner Raiffeisen-Tour ist im November 2018 erschienen und erzählt von seinen Erlebnissen, Eindrücken und Erfahrungen. Vier Monate lang war Andrack kreuz und quer durch Deutschland unterwegs – und wurde dabei vom Raiffeisen-Berichterstatter zum Raiffeisen-Fan und Genossenschaftler. Mit dieser Reise konnten wir der Öffentlichkeit und der Genossenschaftswelt kurzweilig und lehrreich Verbreitung und Vielfalt der genossenschaftlichen Idee näherbringen. Kühe melken, Geld anlegen, Bier brauen, Blaubeeren pflanzen, autonom Bus und Traktor fahren, bausparen, Zeitung lesen, Wein verkosten, bezahlbar wohnen, Pommes herstellen, regional einkaufen, Schweine füttern. Wer hätte gedacht, dass all das und vieles mehr genossenschaftlich geht und in der Genossenschaftsidee einen gemeinsamen Nenner hat?

 

„Mensch Raiffeisen. Starke Idee!“ – Die Idee Raiffeisens hat uns, mehr als 22 Millionen in Deutschland und mehr als eine Milliarde Menschen weltweit einen Kompass an die Hand gegeben. Die Idee gibt Kraft  für Hindernisse, die sich jedem Einzelnen von uns in den Weg stellen und ermutigt uns zur Selbsthilfe, Selbstverantwortung und Selbstverwaltung. Kurz vor Beginn des Raiffeisen-Jahres hat die UNESCO die Ideen Raiffeisens und Schulze-Delitzschs geadelt und sie in die Repräsentative Liste des Immateriellen Kulturerbes der Menschheit aufgenommen. Diese besondere und für einen deutschen Antrag erstmals positive Entscheidung fordert jeden von uns auf, dieses Kulturerbe zu achten, zu bewahren und zu pflegen. Im Übrigen erfüllte es uns im weiteren Verlauf mit großer Freude, dass der erste Mann im Staat, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, die Schirmherrschaft für das Raiffeisen-Jahr 2018 übernommen hat. Diese Würdigungen von höchsten Stellen sind bedeutende Meilensteine auf dem Weg der Genossenschaften.

 

Friedrich Wilhelm Raiffeisen hat nicht nur einen Weg in Form einer Straße von Hamm an der Sieg nach Heddesdorf (heute Neuwied) gebaut. Er hat uns allen auch einen Weg zu einer gerechteren und nachhaltigeren Wirtschafts- und Lebensweise gezeigt. Diesen Weg konnten wir im Raiffeisen-Jahr 2018 noch ein wenig verbreitern. Gerade in wechselhaftenpolitischen und ökonomischen Zeiten bietet die Genossenschaftsidee Verlässlichkeit und Trittsicherheit. Aktuelle und zukünftige Herausforderungen lassen sich schließlich nur gemeinsam lösen.

 

Friedrich Wilhelm Raiffeisen und seine Idee sind in der öffentlichen Wahrnehmung auf fruchtbaren Boden gefallen. Am Ende des Raiffeisen-Jahres 2018 sind sie im öffentlichen Diskurs auf einmalige und nachhaltige Weise verankert. Nutzen wir diese Chance! Lassen Sie uns gemeinsam die Genossenschaftsidee weiter verbreiten, fördern und entwickeln – getreu dem Motto Raiffeisens „Was einer allein nicht schafft, das schaffen viele“. Die kontinuierlich steigenden Mitgliedszahlen von Genossenschaften könnten uns keinen besseren Zeitpunkt dafür bescheren. Das Raiffeisen-Jahr 2018 ist deshalb eine Initialzündung für uns und für zukünftige Generationen; die Erfolgsgeschichte der Genossenschaften nimmt vielleicht gerade erst richtig Fahrt auf. Sie besteht in jeder genossenschaftlichen Initiative und in jedem Engagement auch über 2018 hinaus fort. Die Deutsche Friedrich-Wilhelm-Raiffeisen-Gesellschaft wird sie auch weiterhin pflegen und würdigen und zu Veranstaltungen, Austausch und Vernetzung einladen.


Kurz nach Raiffeisens Tod schrieb dessen Förderer und Freund, Fürst Wilhelm zu Wied, an den Straßburger Vereinstag. Diesen bat er, für Raiffeisen ein Denkmal zu errichten. Er hatte aber kein Monument aus Bronze oder Stein im Sinn. Mit Worten, die so trefflich auch in unsere heutige Zeit passen würden, rief er stattdessen dazu auf, die Idee Raiffeisens zu verbreiten und ihm dadurch ein unvergängliches und omnipräsentes Denkmal zu erbauen: „dass alle Vereinsgenossen einmütig zusammenhalten, um, seinem Vorbilde folgend, in wahrhaft christlicher Nächstenliebe künftigen Geschlechtern den Schatz zu übermitteln, den er ihnen hinterlassen hat, den Schatz, durch welchen sie in den Stand gesetzt werden, den kalten Egoismus und die berechnende Gewinnsucht unserer Zeit zum Besten der Ärmsten unseres Volkes, des kleinen Landmanns, zu durchbrechen“. Das Raiffeisen-Jahr 2018 und die zahlreichen genossenschaftlichen Initiativen haben Raiffeisen dieses Denkmal für heutige und zukünftige Generationen gesetzt. Der Weg ist dadurch noch ein wenig sichtbarer geworden.


Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie uns und Raiffeisen mit Mut, Tatkraft und Unterstützungsbereitschaft auch über das Raiffeisen-Jahr 2018 hinaus auf diesem Weg begleiten.


Herzlich,

 

Ihr

Werner Böhnke