Raiffeisen kennenlernen
Friedrich Wilhelm Raiffeisen – nur wenige kennen die Geschichte des Mannes hinter dem berühmten Namen. Sein Leben begann als einfacher Junge im Westerwald, 1818 geboren, im selben Jahr wie Karl Marx. Er machte Karriere ohne die berühmte höhere Bildung und schuf ein weltbewegendes Werk, trotz mancher Widerstände.
Sein Leben
Der Verwaltungschef und Start-up-Gründer
1845 wurde Raiffeisen Bürgermeister in der Landgemeinde Weyerbusch, wenig später in Flammersfeld und schließlich in Heddesdorf bei Neuwied. Er stieß zahlreiche soziale Projekte an. Als die Menschen hungerten, baute er ein Backhaus. Als er Strukturen schaffen wollte, gründete er den „Heddesdorfer Darlehnskassen-Verein“, das Urbild der modernen Genossenschaften. Heute sind über 22 Millionen Menschen in Deutschland Mitglieder einer Genossenschaft, weltweit sind es eine Milliarde.
Der Privatmann
1845 heiratete Raiffeisen zum ersten Mal, er wird siebenfacher Vater; drei seiner Kinder sterben bereits in den ersten Lebensmonaten. Auch seine Frau stirbt 1863, gerade einmal 36 Jahre alt. Seine Tochter Amalie wird zu seiner Assistentin, später heiratet Raiffeisen nochmals, die Witwe eines befreundeten Pfarrers. Am 18. März 1888 stirbt Raiffeisen in Heddesdorf.
Noch mehr über Raiffeisens Leben, seine Stationen und seine Motive erfahren Sie hier im Lebenslauf.
Der Macher
Mit einem Kapitalismus der ungezügelten Art hatte Raiffeisen nichts am Hut. Geprägt und angetrieben durch seinen Glauben und Praxisblick machte er sich das Ziel einer solidarischen Gesellschaft zu eigen. Davon profitieren heute viele Menschen.
Nach meiner festen Überzeugung gibt es nur ein Mittel, die sozialen und besonders auch wirtschaftlichen Zustände zu verbessern, nämlich die christlichen Prinzipien in freien Genossenschaften zur Geltung zu bringen.
Raiffeisen begegnen
Seine Welt
Friedrich Wilhelm Raiffeisen wurde 70 Jahre alt – und er erlebte eine Zeit von ungeheurer Dynamik, eine Zeit des Wandels und des Umbruchs. Und dies nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa. Der Strudel der Veränderungen erfasste alle Schichten der Gesellschaft, vor allem jedoch die Bauern auf dem Land und die Arbeiter in den frühen Industriezentren.
Postkutsche und Eisenbahn
Die Menschen ließen den „Biedermeier“ hinter sich und entwickelten politisches Bewusstsein. Sie wollten Teilhabe an der Macht. Es fuhren Postkutschen und die ersten Eisenbahnen. Zugleich wurde die soziale Frage immer drängender – insbesondere auf dem Land.
Freiheit und Abhängigkeit
Einerseits: Bauernbefreiung und Industrialisierung sorgten in den ländlichen Gebieten für eine neue Freizügigkeit und Eigenständigkeit. Andererseits: Unerfahren in wirtschaftlichen Dingen, gerieten viele Bauern in die Abhängigkeit von Wucherern, verschuldeten sich hoch, verloren vielfach ihren Besitz und verarmten.
Antworten à la Raiffeisen
Raiffeisen sah die Not und gründete als junger Bürgermeister im Hungerwinter 1846/47 in Weyerbusch den „Verein für Selbstbeschaffung von Brod und Früchten“. Dank privater Spenden kaufte er Mehl. In einem selbst errichteten Backhaus wurde Brot für die hungrigen Menschen gebacken. 1849 folgte der „Flammersfelder Hülfsverein“ und 1854 der „Heddesdorfer Wohltätigkeitsverein“ – sie alle waren vorgenossenschaftliche Zusammenschlüsse auf karitativer Grundlage. 1864 schließlich wurde der Heddesdorfer Darlehnskassen-Verein gegründet: die erste ländliche Genossenschaft. Die Raiffeisen-Organisation entstand.
Es bildete sich hiernach immer fester der Entschluss aus, für die Vereine (…) eine eigene Bank ins Leben zu rufen, (…) um die aus dem Bankverkehr entspringenden Vorteile den Vereinen selbst zuzuwenden und für diese die ganze Einrichtung so zu treffen, dass sie den Bedürfnissen derselben entspricht.
Seine Idee
Am Anfang war das Backhaus. Im kleinen Westerwald-Ort Weyerbusch ist es heute – wiederaufgebaut – immer noch zu finden. Der schlichte Fachwerkbau ist das Symbol für eine Bewegung – für die Genossenschaften, wie sie Friedrich Wilhelm Raiffeisen gegründet hat.
Der Revolutionär der Solidarität
Raiffeisen veränderte nahezu still, jedenfalls ohne Massen und Demonstrationen, die Gesellschaft. Die Wirkung war so durchschlagend, dass heute weltweit rund eine Milliarde Menschen seinem System vertrauen: der Vereinigung von Menschen in Genossenschaften, verbunden mit dem Ziel, ein besseres Leben führen zu können. So wurde Raiffeisen zu einem friedlichen Revolutionär der Solidarität.
Gerechtigkeit durch Genossenschaften
In Deutschland sind heute über 22 Millionen Menschen Mitglied einer Genossenschaft. Ist die Person Raiffeisen auch oft unbekannt, so ist sein Werk und seine Idee akzeptiert, attraktiv und lebendig wie selten zuvor: Viele sind überzeugt, dass Genossenschaften für mehr Gerechtigkeit sorgen und halten diese Wirtschaftsform für sehr zeitgemäß.
Einer für alle, alle für einen
So strahlt Raiffeisens Denken bis heute in unsere Gegenwart aus. Statt grenzenloser Konkurrenz und Zerstörung, statt Ellenbogen und Egoismus holte er, so Paul-Josef Raue in seiner Raiffeisen-Biographie, das Prinzip der Drei Musketiere wieder ins Leben der Gesellschaft: Einer für alle, alle für einen.
Man nennt die Vereine nach meinem Namen. Ich habe dieselben indes nicht erfunden. Der erste Verein war ein Kind unserer Zeit, aus der Not geboren. Ich habe nur die Patenstelle dabei übernommen.
200 Jahre Raiffeisen
Im Jahr 2018 jährte sich der Geburtstag von Friedrich Wilhelm Raiffeisen zum 200. Mal. Anlass genug, ein Festjahr durchzuführen, das an sein Leben und seine Idee erinnerte. In dem Zusammenhang äußerten sich viele Prominente zu Raiffeisen und zum Thema Genossenschaften. Ihre Zitate finden Sie hier.
Mehr über Raiffeisen
Einen guten Überblick über Raiffeisens Leben und Idee bietet das Buch "Friedrich Wilhelm Raiffeisen. Christ - Reformer - Visionär" von Dr. Michael Klein, das zum Raiffeisenjahr 2018 erschienen ist.
Mehr von und über Raiffeisen finden Sie in der Literaturliste.